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In diesem Bereich finden Sie unser gesammeltes Fachwissen zum Thema Barrierefreiheit. Wir erläutern die einzelnen Themen, geben Praxishilfen und nennen die gesetzlichen Vorgaben.

Die neue BITV 2.0

Am 25. Mai 2019 ist die neue Fassung der Barrierefreien-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 in Kraft getreten. Sie setzt diejenigen Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/2102 über die Barrierefreiheit von Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen um, die nicht schon 2018 in das aktualisierte Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) aufgenommen wurden. Neu ist: Die BITV 2.0 beschreibt den zur barrierefreien Gestaltung von Informationstechnik zu berücksichtigenden Standard nicht mehr, sondern verweist auf die im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemachten harmonisierten Normen. Außerdem nennt sie Details zur Erklärung zur Barrierefreiheit und macht Vorgaben dazu, welche Inhalte barrierefrei zu gestalten sind und welche nicht. So gilt die BITV 2.0 jetzt auch für elektronische Verwaltungsabläufe (diese waren bis zum 23. Juni 2021 barrierefrei zu gestalten).

Im Folgenden erklären wir die aus der EU-Webseitenrichtlinie abgeleiteten Pflichten, die die neue BITV 2.0 für öffentliche Stellen des Bundes vorgibt.

Neuer Inhalt, gleicher Name

Die BITV 2.0 hat ihren Namen behalten, sie ist nur verändert worden. Sie gilt für alle öffentlichen Stellen des Bundes. Öffentliche Stellen des Bundes sind nicht nur die Einrichtungen der Bundesverwaltung, sondern auch die Stellen, die das Vergaberecht anzuwenden haben und dem Bund zuzurechnen sind (siehe: § 12 BGG).

Standards der barrierefreien Gestaltung von Informationstechnik

Wie sind Websites, Apps und andere digitale Inhalte barrierefrei zu gestalten? Die neue BITV 2.0 legt hierzu die Standards der barrierefreien Gestaltung fest.

1. Verweis auf Europäische Norm

Der anzuwendende Standard wird nicht direkt genannt, sondern die BITV 2.0 verweist auf die jeweils im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemachten harmonisierten Normen (§ 3 Absatz 2 BITV 2.0). Diese Europäische Norm ist zurzeit die EN 301 549 in der Version V3.2.1 (2021-03), seit die Europäische Kommission am 12. August 2021 einen neuen Durchführungsbeschluss im Amtsblatt der EU veröffentlicht hat (vgl. Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1339 der Kommission vom 11. August 2021 zur Änderung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2018/2048, siehe auch Artikel "Neue Version der EN 301 549 gilt für Behörden "). Bis dahin galt die EN 301 549 in der Version V2.1.2 (2018-08) (vgl. Durchführungsbeschluss 2018/2048 der EU-Kommission vom 20. Dezember 2018).

Diese Regelung hat den Vorteil: Wenn die EU-Kommission in Zukunft - wie zuletzt im August 2021 - eine andere harmonisierte Norm im Amtsblatt der EU bekannt macht, ist diese anzuwenden – ohne dass es noch einer Anpassung der BITV 2.0 bedarf.

2. Verweis auf Stand der Technik

Für den Fall, dass die im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gemachten harmonisierten Normen keine Vorgaben für einzelne konkrete Anforderungen enthalten, ist der „Stand der Technik“ zu berücksichtigen (vgl. § 3 Absatz 3). Der Stand der Technik beschreibt das, was technisch möglich ist, unabhängig davon, ob es sich schon in der Praxis durchgesetzt hat.

3. Höchstes Maß an Barrierefreiheit für zentrale Funktionen

Die zentralen Navigations- und Einstiegsangebote sowie Formulare und andere interaktive Prozesse auf Websites sollen sogar noch über die EN hinausgehende Vorgaben, also ein noch höheres Maß an Barrierefreiheit erfüllen (vgl. § 3 Absatz 4). Wie dieses höchste Maß genau zu definieren ist, wird zurzeit in einer Arbeitsgemeinschaft im Rahmen des Ausschusses für barrierefreie Informationstechnik (nach § 5 BITV 2.0) erarbeitet. Sobald es hierzu Ergebnisse gibt, werden wir an dieser Stelle darüber informieren.

Weitere Informationen zu den technischen Standards können Sie aus dieser Veröffentlichung der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik entnehmen:
"Informationen zur Umsetzung von barrierefreier Informationstechnik im Sinne von § 3 Absatz 5 BITV 2.0" (von August 2021)

Erklärung zur Barrierefreiheit

Die wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit sind bereits im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) (§ 12b) und im Durchführungsbeschluss 2018/1523 der EU-Kommission vom 11. Oktober 2018 geregelt. Die BITV 2.0 ergänzt diese Vorgaben: Sie schreibt vor, dass die Erklärung von der Startseite und jeder Seite einer Website erreichbar sein muss (§ 7 Absatz 1 Satz 1). Bei mobilen Anwendungen (Apps) ist die Erklärung an der Stelle, wo die Anwendung heruntergeladen werden kann, oder auf der Website der betreffenden öffentlichen Stelle zu veröffentlichen (§ 7 Absatz 1 Satz 2).

Erklärungen müssen seit 23. September 2020 veröffentlicht sein

Einige Websites von öffentlichen Stellen des Bundes mussten die Erklärung schon bis zum 23. September 2019 online stellen. Dies betraf Websites, die nach dem 23. September 2018 veröffentlicht wurden. Ältere Websites müssen die Erklärung zur Barrierefreiheit seit dem 23. September 2020 veröffentlicht haben. In mobilen Anwendungen muss die Erklärung seit dem 23. Juni 2021 vorhanden sein.

Feedback-Mechanismus: Möglichkeit der Kontaktaufnahme

Neu in der 2019 aktualisierten BITV 2.0 war auch der sogenannte „Feedback-Mechanismus“: Ist ein Inhalt einer Website oder App nicht barrierefrei, sollen Nutzerinnen und Nutzer die Möglichkeit haben, direkt Kontakt zur öffentlichen Stelle aufnehmen zu können (§ 7 Absatz 2). Dieser Feedback-Mechanismus ist zusätzlich zur Erklärung zur Barrierefreiheit in die Website/App zu integrieren. Bei Websites soll der Feedback-Mechanismus – wie auch die Erklärung zur Barrierefreiheit – von jeder Seite einer Website unmittelbar erreichbar sein, bei Apps genügt die Integration in der Navigation.

Erklärung ist jährlich zu aktualisieren

Die Erklärung ist jährlich und bei jeder wesentlichen Änderung der Website bzw. der App zu aktualisieren (§ 7 Absatz 6). Sie muss angeben, wer die Barrierefreiheit der Website/App bewertet hat (die öffentliche Stelle selbst oder ein externer Anbieter) (vgl. § 7 Absatz 5 Satz 2).

Inhalt der Erklärung

Inhaltlich muss die Erklärung zur Barrierefreiheit nur die im Durchführungsbeschluss 2018/1523 der EU-Kommission zwingend vorgeschriebenen Inhalte umfassen. Doch nach Möglichkeit sollen die öffentlichen Stellen in der Erklärung auch über Maßnahmen berichten, die über die Mindestanforderungen hinausgehen – und darüber, welche Maßnahmen sie zum weiteren Abbau von Barrieren ergreifen wollen (vgl. § 7 Absatz 4).

Erklärung auch in Gebärdensprache und Leichter Sprache

Die wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit sind auch in Deutscher Gebärdensprache (DGS) und in Leichter Sprache zur Verfügung zu stellen (§ 4 Nummer 3). Daneben sind auch die schon bisher vorgeschriebenen Inhalte in DGS und Leichte Sprache zu übertragen. Diese sind: Informationen zu den wesentlichen Inhalten der Website, Hinweise zur Navigation sowie ein Hinweis auf ggf. weitere Informationen in DGS oder Leichter Sprache, die auf der Website oder in der App verfügbar sind.

Was muss barrierefrei gestaltet werden?

Websites, Apps, Intranets, Extranets und elektronische Verwaltungsabläufe sind von öffentlichen Stellen barrierefrei zu gestalten (vgl. § 12a Absatz 1 BGG).

Neben den Intranets, Extranets und Verwaltungsabläufen ist ebenfalls neu: Die aktualisierte BITV 2.0 legt fest, dass öffentliche Stellen des Bundes auch nur intern genutzte Apps barrierefrei gestalten müssen – d.h. Apps, die nicht öffentlich zugänglich sind (vgl. § 2a Absatz 2). Somit gibt es ab sofort bei der barrierefreien Gestaltung nicht nur keinen Unterschied mehr zwischen Internet und Intranet, sondern ebensowenig zwischen öffentlich und nicht-öffentlich zugänglichen mobilen Anwendungen.

Ausnahmefälle: Was muss nicht barrierefrei gestaltet werden?

Die neue BITV 2.0 nimmt diejenigen Inhalte auf Websites und in Apps von einer barrierefreien Gestaltung aus, für die die EU-Webseitenrichtlinie Ausnahmen zugelassen hat (vgl. § 2 Absatz 2). Das betrifft:

  • in bestimmten Fällen die Reproduktion von Stücken aus Kulturerbesammlungen
  • digitale Archive, deren Inhalte für aktive Verwaltungsverfahren nicht benötigt werden, und die nicht nach dem 23. September 2019 aktualisiert oder überarbeitet wurden
  • Websites und mobile Anwendungen einer Rundfunkanstalt des Bundesrechts wie der Deutschen Welle

Zudem kann für den Erhalt der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte die Bundesministerin oder der Bundesminister der Verteidigung weitere Ausnahmen von der BITV 2.0 festlegen (§ 2 Absatz 3).

Links

Meldung BMAS: Verordnung zur Änderung der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung und der Behindertengleichstellungsschlichtungsverordnung tritt in Kraft (24. Mai 2019)

Bundesanzeiger: Bekanntmachung der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (PDF, derzeit nicht barrierefrei)

Eine barrierefrei lesbare Fassung dieser Begründung, die Grundlage der Bekanntmachung war, hat das BMAS veröffentlicht: Verordnung Änderung BITV 2.0 (PDF, barrierefrei)

Gesetze im Internet: BITV 2.0 (geändert am 25. Mai 2019)

Mehr zur EU-Webseitenrichtlinie, zum BGG und zur aktualisierten BITV 2.0: